Gabriel Riesser
Geboren 1806 in Hamburg (Freie und Hansestadt Hamburg - Heiliges Römisches Reich deutscher Nation)
Gestorben 1863 ebenda (Freie und Hansestadt Hamburg - Deutscher Bund)
Konfession: mosaisch
31. März bis 3. April 1848 Mitglied des Vorparlaments
18.Mai 1848 bis 26. Mai 1849 Abgeordneter der Deutsche Nationalversammlung
30. März bis 3. April 1849 Mitglied der Kaiserdeputation zu Friedrich Wilhelm IV.
G.R. entstammte einer gelehrten Rabbinerfamilie. Er studierte mit höchsten Auszeichnungen Jura und Philosophie (einer seiner Studienfreunde war Julius Fröbel). Die Dozentenkarriere wurde ihm aufgrund zahlreicher Vorschriften, die Glaubensjuden diskriminierten, verwehrt. Riesser dachte nicht daran, den Glauben seiner Väter aufzugeben und damit das Karrierehindernis zu beseitigen, indem er wie Simson zu einer der christlichen Konfessionen konvertierte. Er nahm stattdessen mit wissenschaftlichen und publizistischen Mitteln den Kampf gegen Judendiskriminierung auf. G.R. war Gründer und Herausgeber der Zeitschrift „Der Jude“ und zeitweise Redakteur des „Hamburger Abendblatts“
G.Rs. Publizistik wurde sehr einflußreich und deutschlandweit bekannt. Er stellte die Frage der völligen Gleichberechtigung der Juden immer in den Zusammenhang der Rechte und Freiheiten aller Staatsbürger und war stets ein entschiedener Befürworter der Einheit der Nation in e i n e m deutschen Staat.
Im Vorparlament engagierte sich G.R. besonders in der Wahlrechtsfrage und trat für das allgemeine und gleiche Wahlrecht aller erwachsenen Männer ein.
G.R. bemühte sich um ein Mandat für die Deutsche Nationalversammlung, war damit in Hamburg aber nicht erfolgreich. Die Lauenburger waren von seiner Eloquenz und seinem klaren Programm zur Freiheit und Einheit Deutschlands überzeugt und wählten ihn.
In der Nationalversammlung arbeitete G.R. in den links-liberalen Fraktionen Württemberg Hof und später deren kleindeutscher Abspaltung Augsburger Hof. Er sah sich als Abgeordneter seiner mehrheitlich christlichen Wähler und trat nicht als Vertreter besonderer jüdischer Interessen hervor. Als im August 1848 aber ein Antrag eines württembergischen Abgeordneten die Beschränkung der Bürgerrechte von Juden und Sondergesetze forderte, hielt G.R. eine spontane Erwiderungsrede. Seine Argumentation fand überwältigende Zustimmung bei der großen Mehrheit der Abgeordneten. Das Ergebnis war der Beschluß der Nationalversammlung, daß die Verfassung die Grundrechte jedem gewährt, unabhängig vom Bekenntnis. Mit dieser Rede hatte G.R. einen so tiefen Eindruck hinterlassen, daß er im Oktober 1848, als sich Gagern und Simson wegen der angespannten Situation beide in Berlin aufhielten, zum zweiten Vizepräsidenten der Nationalversammlung gewählt wurde. Mit der praktischen Versammlungsleiteraufgabe war er aber offenbar nicht in seiner Kernkompetenz eingesetzt. Die Sitzungen wurden turbulent und er gab diesen Posten auf. G.R. hielt aber als Berichterstatter der Verfassungskommission am 21. März 1849 die „Kaiserrede“ -nach Einschätzung etwa eines Robert von Mohl „Vielleicht das Großartigste, was je in der Reichsversammlung gesprochen wurde.“ Beifallsstürme und tiefe Bewegung waren die Reaktionen der Anwesenden.
Die Ablehnung der Wahl durch den König von Preußen war auch für Riesser eine nicht vorhergesehene tiefe Enttäuschung. Er schied mit den übrigen Liberalen am 26. Mai 1849 aus dem Parlament aus.
Nach der Heimkehr nach Hamburg war Riesser in seiner Heimatstadt als Notar tätig. Das große Renommee, das er sich erworben hatte, machte ihn auch auf der kommunalen Hamburger Ebene zu einer anerkannten Führungspersönlichkeit. So wurde er Vorsteher der Hamburger Patriotischen Gesellschaft, Vizepräsident der Hamburger Bürgerschaft und schließlich wurde ihm, als erstem Deutschen jüdischen Glaubens, ein Richteramt am Hamburger Obergericht übertragen.
Riesser war Mitgründer und Präsidiumsmitglied des Deutschen Nationalvereins, einer Keimzelle der späteren Fortschrittspartei.
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Gerhard-Hermann Kuhlmann 13.10.2007 (Version 1.1)