Gustav und Amalie von Struve (Heirat 1845, Adelstitel 1847 abgelegt)
Gustav Struve
Geboren 1805 in München (Baiern - Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation )
Gestorben 1870 in Wien (Österreich-Ungarn)
Konfession: evangelisch, seit 1846 deutsch-katholisch
31. März bis 3. April 1848 Mitglied des Vorparlaments (A05)
Amalie Struve
Geboren 1824 in Mannheim (Baden - Deutscher Bund)
Gestorben 1862 in New York (USA)
Konfession: evangelisch, seit 1846 deutsch-katholisch
G.S. entstammt dem russischen Beamtenadel. Sein Vater, Nachfahr von nach Rußland ausgewanderten Deutschen, war Diplomat des Zaren an den Höfen zu München, Karlsruhe und Stuttgart.
Ein wenig glanzvolles Jurastudium in Göttingen und Heidelberg machte die Diplomatenkarriere nach väterlichem Vorbild unmöglich, zwei Habilitationsversuche in Göttingen und Jena schlugen fehl.
1837 erhielt er die Zulassung als badischer Oberhofgerichtsadvokat in Mannheim.
Die Heirat mit Amalie, die nicht adlig und zudem uneheliches Kind war, galt als nicht standesgemäß und isolierte Struve von Familie und Standesgenossen. Zugleich war diese Ehe offenbar außerordentlich harmonisch und glücklich. G.S. vergötterte seine junge Frau. Amalie gewann erheblichen Einfluß auf sein Denken und wirkte mit an seinen Publikationen. Sie sensibilisierte ihn für die Frage der Gleichberechtigung der Frau. In ihren eigenen Schriften der 1850er Jahre tritt sie mit einer entschiedenen Ansicht zur aktiven Rolle der Frauen in der Revolution hervor.
Als Publizist politisch oppositioneller Schriften erweckte G.S. ab 1845 Aufsehen. Da es eine Buch-Vorzensur in Baden nicht gab, ließ er seine Zeitschriftenartikel in Buchform drucken und die in der Zeitschrift nicht erschienen zensierten Texte in diesem Buch mit roter Druckfarbe kennzeichnen. In dem daraufhin unvermeidlichen Verfahren ließ er sich von Hecker vor Gericht vertreten. Beide bestärken sich in ihrer republikanischen Einstellung. Eine echte Gefolgschaft gewann G.S. unter einigen extremen Heidelberger Studenten (siehe Carl Blind).
Im Vorparlament teilten Hecker und Struve dieselbe entschieden republikanische Position und gingen denselben Weg. Während aber Hecker die Ereignisse von Kandern als Niederlage auffaßte und in Konsequenz Deutschland verließ, isolierten sich Struves weiter in der vollen Überzeugung, den einzig richtigen Weg zu gehen. Im September verfaßt G.S. einen „Plan zur Revolutionierung und Republikanisierung Deutschlands, der auch die Auflösung der Nationalversammlung und eine diktatorische Übergangsphase zur Republik vorsah. Der „Struveputsch“ (A18) vom September wurde wenige Tage nach der „Ausrufung der Republik“ zu Lörrach zerschlagen und Struves sowie ihre überlebenden Gefolgsleute wurden inhaftiert. Am 14. Mai 1849 befreit wurde G.S. am 3. Juni Mitglied des Exekutivkomitees und des „Kriegssenats“ der provisorischen Badischen Republik. Auch hier bildete Struve mit seinen Anhängern den radikalsten Flügel, sodaß auch Brentano ihn kurzfristig festnehmen ließ. Struves flohen über Genf und London nach New York. G.S. engagierte sich gegen die Sklaverei in den Südstaaten und unterstützte als Wahlkampfredner die Republican Party. Im Sezessionskrieg führte er als Freiwilliger eine Kompanie im 8. New Yorker Regiment unter Oberst Blencker.
Nach dem plötzlichen Tod seiner Frau verließ G.S. Amerika und kehrte nach einer Amnestie nach Europa zurück. Verarmt starb er 1870 in Wien.
Im Gegensatz zu Hecker strebt G.S. nicht allein eine politische Revolution, sondern eine ganzheitliche Lebensreform nach den Vorgaben eines neuen Weltbildes an, das er sich aus Rousseau und zeitgenössischen Wissenschaften zurechtlegte. Diese Weltanschauung erforderte auch einen Bruch mit den herkömmlichen Religionen und ein religiös-moralisches Fundament. Struves sahen einen ersten Schritt zu einer neuen Katholizismus, Protestantismus, Judentum und moderne Wissenschaft vereinenden Religion in der „Deutsch-Katholischen Kirche“, zu der sie beide 1846 übertraten.
Struves waren Vegetarier, Abstinenzler und Tabakfeinde - keine leichte Voraussetzung in einer Revolution die, so in Wien und Berlin im März 1848, das Verbot des Rauchens in der Öffentlichkeit überhaupt erst aufhob.
Abbildung: Nach zeitgenössischen Fotos G.S. trägt den „Heckerhut“ mit Hahnenfeder, dazu Bluse mit Gürtel und Schärpe.
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Gerhard-Hermann Kuhlmann 13.10.2007 (Version 1.3)