15. März 1848 Revolution in Ungarn

Zwei Tage nach dem Sieg der Revolution in Wien, am 15. März 1848, proklamierten Intellektuelle in (Buda-) Pest* die Aufhebung der Zensur und formulierten die Forderungen des ungarischen Volkes: Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit, Religionsfreiheit auch für die Protestanten und Juden, Abschaffung der Privilegien des Adels, Aufhebung der Leibeigenschaft und Bodenreform zugunsten der zuvor leibeigenen Bauern. Staatspolitisches Ziel war ein selbständiges Ungarn in seinen historischen Grenzen. Der ungarische Reichstag zu Pressburg (heute Bratislava), ein traditionelles, ständisches Parlament, sollte zu einer modernen Volksvertretung umgestaltet werden und eine eigene ungarische Regierung kontrollieren. Ferdinand von Habsburg-Lothringen sollte König von Ungarn bleiben. Ferdinand bestätigte die Reformen durch die „Aprilgesetze“ vom 11. April 1848 und ernannte eine Regierung unter Graf Lajos Batthyánny. Die bedeutendsten Oppositionellen Ungarns wurden in die Regierung aufgenommen. Zur Landesverteidigung wurde die "Honved"-Armee aufgebaut. Von Anfang an gab es Probleme mit den anderen Nationalitäten. Auch die Durchsetzung der Bodenreform führte im Sommer 1848 zu Unruhen auf dem Lande.

Am 11. September drangen kroatische Bewaffnete unter Ban Jellacic nach Ungarn vor. Ungarische Einheiten der kaiserlichen Armee weigerten sich, gegen ihn zu kämpfen oder schlossen sich ihm sogar an.

Graf Batthyanny und viele Abgeordnete traten zurück und Lajos Kossuth wurde am 12. September, ohne die Zustimmung König Ferdinands zu erwirken, vom verbleibenen „Rumpf“-Parlament zum Nachfolger gewählt. Die Situation radikalisierte sich. Am 28. September wurde der Kommandeur der kaiserlichen Armee in Ungarn, Lamberg (offenbar weil man ihn beschuldigte, mit den Kroaten gemeinsame Sache zu machen,) auf der Budapester Kettenbrücke gelyncht.

Am 29.September besiegten die Ungarn die Jellacic-Truppen in der Schlacht bei Pákozd. Die Kroaten zogen sich Richtung Wien zurück. Damit wurde für die Zeitgenossen offensichtlich, daß Jellacic im Einvernehmen mit der kaiserlichen Regierung, der „Wiener Kamarilla“, stand. Die Honveds zögerten aber, die Kroaten auf das Gebiet des Deutschen Bundes zu verfolgen.

Am 3. Oktober erklärt ein Dekret im Namen König Ferdinands den ungarischen Reichstag für aufgelöst und ernennt Jellacic zum Zivil- und Militärgouverneur von Ungarn. Am 6. Oktober sollten kaiserliche Soldaten aus Wien nach Ungarn verlegt werden. Die Soldaten meuterten, es kam zur Wiener Oktoberrevolution. Nach der Eroberung Wiens wurde der neue Kaiser Franz Joseph inthronisiert. Er war nicht mehr an die Aprilgesetze gebunden, hob die Rechte Ungarns auf und forderte Kroaten, Serben, Slowaken und Rumänen dazu auf, gegen die Ungarn zu kämpfen.

Im Januar 1849 drang Windischgrätz mit überlegenen Kräften in Ungarn vor und nahm am 5. Januar Budapest. Die Honved Armee hatte sich unter der klugen Führung General Görgeis in den Osten des Landes zurückgezogen, um neue Truppen auszuheben und zu trainieren. Der ungarische Reichstag und die Regierung unter Kossuth flüchteten nach Debrecen. Im März ergriff Görgeis die Initiative und attackierte die Armee des Kaisers. Am 14. April erklärte das ungarische Parlament die Absetzung der Dynastie Habsburg-Lothringen und wählte Lajos Kossuth zum Reichsverweser. Am 21. Mai 1849 wurden Buda und Pest wieder befreit. Nur wenig später trafen sich Kaiser Franz Joseph und Zar Nikolaus I. in Warschau. Rußland sagte seine Hilfe bei der Niederwerfung Ungarns zu. „die abscheulichste Intervention des 19. Jahrhunderts“ urteilt Golo Mann. Noch bis in den August 1849 dauerten die Kämpfe, aber auf sich allein gestellt konnte Ungarn sich nicht gegen die Streitkräfte der asiatischen Despotie halten. Nach der unvermeidlichen Kapitulation folgten die Liquidationen. Eine leidvolle historische Erfahrung, die sich für Ungarn 1956 wiederholen sollte.

Die nationalen und territorialen Forderungen der ungarischen Nationalbewegung wurden im „Ausgleich“ von 1867 und mit der Begründung der Doppelmonarchie („k.u.k."**) im vollen Umfang erfüllt.

Abbildung: gestaltet nach einer zeitgenössischen Lithographie, die Jajos (Ludwig) Kossuth darstellt.

* Die beiden Donaustädte wurden 1878 fusioniert.

** "k(aiserlich österreichisch) u(nd) k(öniglich ungarisch)"

Zurück zur Übersicht "Glossar 1848"

Gerhard-Hermann Kuhlmann 27.11.2004 (Version 1.0)