Aufzeichnungen von Martha Teutmeyer aus den Jahren 1944 - 1951
3. April 1945
Morgens um 6 Uhr kommen SS-Männer in den Keller und erklären, daß das Haus von ihnen besetzt und verteidigt werden soll. Wir müssen ausziehen. Herr Vogt fragt im Lazarett nach, das seit einiger Zeit im Röttekeschen Hause (inzwischen Eigentum der Fürstin) eingerichtet war, ob wir dort unterkommen könnten. Die Erlaubnis wird gegeben und der Umzug beginnt. Inzwischen beschlagnahmt die SS das Haus, und wir ziehen alle um nach dem Hof, wo seit 10 Jahren Elizabeth Ihle in der alten Bauernwohnung wohnt. Als Mitmieterin eine bombengeschädigte, Schauspielerin Frl. Hafer, die aus Oberhausen kommt. Dazu kommt jetzt ein Befehlstand in Frl. Hafers Zimmer. Ein Oberleutnant mit Bursche und Ordonanz. Telefon wird angelegt. Die alte und die junge Frau Fischer kommen mit Sack und Pack ziehen aber bald wieder ab, desgleichen Frl. Fischer mit Freundin und Hund. Wir gehen alle in den Keller, wo Hete auf Matratzen die Betten der verschiedenen Familien aufbaut. Im Nebenkeller lagen Russen und Polen. Das Wetter ist kühl und regnerisch, dicker Dreck auf dem Hofe. Telephon und elektrisches Licht funktionieren nicht mehr. Artilleriefeuer von Süden und Nordwesten. Im Zimmer des Oberleutnants bis in die Nacht ein Kommen und Gehen von Ordonanz. Eine barhäuptige Wache vor den Türen die ganze Nacht hindurch. Immer noch keine Amerikaner, man sagt uns, dass die Angriffe bis jetzt abgewiesen wurden. Auch auf dem Hof in der neuen Scheune liegt alles voll Soldaten. Ein Geschütz steht im dem Hofe, ein zweites auf dem Warweg . Fritz schläft noch oben im Haus wir gehen alle-ohne die Soldaten -33 Menschen im Keller- Dauerlicht. Während der Nacht kommen noch einige Soldaten zum schlafen in den Keller, auch bei den Russen liegen einige. Der Oberleutnant kommt noch in den Keller und verteilt Bonbons an Kleine und Große. Wir wissen...
4. April 1945
Irme Hunke kocht oben im Haus Grünkohl. Nebenher, wie in allen vorhergehenden Tagen, dauernd Kaffee für die Soldaten . Nach und nach ziehen alle Truppen ab, die letzten am Nachmittag, nachdem vorher noch einige zu ihnen gehörige Frauen zu uns in den Keller kommen. Unsere Zwillinge ( Pferde ) wurden vor den Verpflegungswagen der SS gespannt . Wir atmen auf, als sie die nutzlose Verteidigung aufgeben, bei deren Durchfuhren der Hof zerstört worden wäre wie viele andere, die bis zuletzt verteidigt wurden. Das Wetter hat sich gegen Mittag aufgeklärt, nachmittags kommt ein starkes Gewitter, das Artilleriefeuer dauert an. Heftiges Schießen auf Heiligenkirchen bis vor Hornoldendorf. Starke Tieffliegertätigkeit. Wir beobachten die letzten, fliehenden deutschen Soldaten, die vom Schling herunter, durch Wantrups Felder kommen und den Weg vom Sophienheim zum blauen Steg ziehen. Starke Rauchentwicklung in Heiligenkirchen und hinter dem Wantrup. Bis zum Abend treffen weder Amerikaner noch amerikanische Panzer ein. Schließlich hören wir, daß der ganze Zug über den Hiddeser Berg nach Detmold gefahren ist. Nun hören wir auch die Panzer rollen. Eine flüchtige, braune Kaltblutstute wird eingefangen. Als es dunkel wird, ist der Himmel über Detmold rot vom Widerschein der brennenden Häuser, die durch Phosphorbomben ausbrannten oder stark beschädigt wurden. Theodor Schlepper, vom Meierhof in Hiddesen, kommt und erzählt, daß ihm allerlei Gebäudeschaden entstanden ist. Das Kind von Anneliese Katjen ist bei dem Beschuß ums Leben gekommen. Sein Sohn holt ihn ab und beide stecken sich die Taschen voll mit angebotenen Zigaretten und Tabak aus den zurückgelassenen Vorräten der geflüchteten Soldaten. Wir haben nur Kerzenlicht, die SS zerstörte alle elektrischen Anlagen, das Haus ist entsetzlich dreckig.