Version 1.0 Gerhard - Hermann Kuhlmann, März 2015

Aufzeichnungen von Martha Teutmeyer aus den Jahren 1944 - 1951

5. April 1945

Morgens kommen Mütter und Väter von kleinen Kindern und holen Milch, weil die Verteilung in Detmold ausge­setzt hat. Fritz und ich gehen nach Hiddesen, um zu fragen ob die Russen und Polen arbeiten dürfen,  sie haben die Arbeit ver­­weigert, fühlen sich als Herren der Lage und zeigen uns das. Wir sehen die ersten Amerikaner, kräftige, auffallend gut genährte Soldaten. Auskunft können sie uns nicht geben und verweisen uns auf die Military Police, die nachmittags eintreffen soll. Auf dem Rückweg begegnen uns in verdächtigem Aufzug unsere Russen, ich halte Fedor, den letzten an, und frage, was sie beabsichtigen. Er zuckt verlegen die Achseln und erklärt, daß die anderen alle verrückt wären, und daß er mitmachen müsse. Auf den Hof zurückge­kehrt finden wir Herrn Vogt dabei, alle herumliegenden Gewehre, Panzerfäuste und Munition um das vor dem Schweinehaus stehende Flakgeschütz zu sammeln, wir helfen dabei und sehen plötzlich unsere Leute, geführt von zwei amerikanischen Soldaten, mit wild entschlossenen Gesichtern und vorgehaltenen Pistolen auf uns zu­kommen, wir gehen ihnen entgegen, und werden von einem unbekannten Polen, der sich zum Anführer und Dolmetscher unserer Russen auf­spielt, angeschrieen, daß Herr Vogt und mein Mann sofort verhaf­tet und mitgenommen werden sollen. Zum Glück genügen ein paar englische Sätze, um die Situation zu retten und die polnisch-russischen Schreier, und die Soldaten selbst,  zum Schweigen zu bringen. Die Soldaten sahen, daß die Waffen nicht, wie die Rus­sen angegeben hatten versteckt, sondern ordnungsmässig gesammelt und in aller Öffentlichkeit aufgestapelt worden sind, wir bitten um eine Wache für die Waffensammlung und ein Amerikaner bleibt zurück, oben vor dem Wohnhaus steht ein dritter Soldat, wir werden nun nach Waffen gefragt und liefern die vorhandenen Jagdgewehre und Revolver ab. Dann fragt der dritte Soldat aus dem Land der Prohibition nach something to drink und wir gehen mit ihm in den Keller. Als ich mich einmal nach ihm umdrehe, sehe ich, daß der Mann uns mit gespanntem Revolver folgt, weil er wohl eine Falle für möglich hält. AIs ich an zu lachen fange, steckt er etwas beschämt den Revolver weg und wir unterhalten uns bei Apfelmost sehr freundschaftlich über Amerika und Deutschland, über Krieg und andere höchst aktuelle Dinge.

Die Matratzen und Betten werden vom Hofkeller wieder ins Wohn­haus gebracht. Wir essen gegen 2 Uhr Mittag Kartoffelsuppe. Kaum sind wir fertig, als ein englischer Soldat als Sprecher, von zwei stummen Begleitern assistiert,  ins Haus kommt und uns mitteilt,  daß wir in 3/4 Stunden das Haus unter Mitnahme von persönlichen Dingen und Betten und Lebensmitteln vorübergehend zu räumen haben. Er will uns in Fischers Werkstatt weisen, ich kriege aber doch Erlaubnis, daß wir wieder auf den Hof dürfen, so überlegt wie möglich wird alles gepackt und wieder auf den Hof gebracht. Tante Bettas mittlere Stube wird vollgepackt mit unseren Sachen und denen von Vogts, Krämers, Schmitz und Fräulein Nieländer. Im Laufe des Nachmittag kommen manchmal zwei oder drei amerikanische Soldaten und wollen nach Waffen suchen, lassen sich aber davon abbringen, dann wollen sie Fritz' goldene Uhr haben, geben sich aber sehr ordentlich zufrieden, als sie ihnen verweigert wird. Einer von ihnen, ein absolut deutscher Typ, war sehr symphatisch. Ein anderer wurde böse auf Fritz' Frage, ob unsere polnischen Arbeiter nicht an die Arbeit gebracht werden können. Er hielt uns die Taten unserer SS in Polen vor und sagte Fritz solle seine Felder selbst bestellen. Er schien polnisches Blut zu haben.* Sonst ließen sie uns aber vollkommen unbelästigt. Der Dolmetscher gab sogar Eva auf ihre Bitte Ullas kleine Plastik, das Fohlen, heimlich aus dem Glas­schrank.

Zum Abendessen wurden Reste auf Tante Bettas Stubenofen gewärmt.